Ein Klöppeltag im Lande der Emus und Känguruhs |
Schon lange planten meine Mutti und ich eine Reise nach Adelaide in Süd Australien. Verwandte, Beate und Peter, hatten uns eingeladen. Kurz vor Reiseantritt, Anfang Januar 2000, erhielt ich
Kenntnis von Klöpplerinnen, die anhand des Postcodes evtl. dieser Region zuzuordnen waren. Also kam noch das Klöppel-Notfallset in den Koffer. Und ich packte in aller Eile einige Prospekte und
Hefte unseres Verbandes und Klöppelbriefe mit ein. |
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Heraus aus dem deutschen Winter traf uns nach 21 Stunden Flug der australische Sommer mit
Temperaturen um die 40° C. Große Ausflüge waren da zu strapaziös. So machte ich mich mit Beates Hilfe im Telefonbuch von Adelaide auf die Suche nach meinen Klöpplerinnen. Ich fand sie
"gleich um die Ecke", denn bei der Größe des Landes sind 50 bis 200 km keine Entfernungen. So lernte ich bereits am zweiten Tag nach unserer Ankunft Brigitta kennen. Es war wie
ein kleines Wunder, denn Brigitta stammte aus Deutschland, von der Insel Sylt. Ab sofort gab es auch keine Sprachprobleme mehr. Sie staunte nicht schlecht, als ich ihr erzählte woher ich kam. Wir
verabredeten uns für den nächsten Tag. Bei ihr angekommen, wurden gleich alle Schätze ausgebreitet. Der Nachmittag verging wie im Fluge. Ich erfuhr, dass Brigitta Klöppellehrerin in
mehreren Gruppen und Mitglied der Spitzengilde von Süd Australien ist. |
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Die Gilde von Süd Australien ist ein Zweig der Australischen Spitzengilde und hat ca 120 Mitglieder. Allein in Adelaide gibt es wegen der großen territorialen Ausdehnung der Stadt drei
Filialen. Vier weitere Filialen sind im ländlichen Bereich. Sie treffen sich einmal im Monat. Diese Meetings sind im monatlich erscheinenden Infoheft "Hooked on Stiches"
veröffentlicht. |
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Nicht alle Klöpplerinnen sind Mitglieder der Gilde. In Süd Australien klöppeln etwa 200 Frauen in 15 Gruppen. |
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Einmal im Jahr treffen sich alle Frauen der S.A. Lace Guild beim S.A. Lacemakers` Fair, ähnlich unserem Annaberger Klöppeltag. Es gibt Ausstellungen, Workshops, Händlerstände für
Klöppelbedarf und alle anderen Handarbeiten sowie Gastausstellungen; z.B. Teddybären, bemalte Emu-Eier uvm. Es werden aber keine Vorträge gehalten. |
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Brigitta lud mich zum nächsten Treffen der S.A. Lace Guild ein, das am 18. Januar im Botanischen Garten von Adelaide als "Picnic in the Park" stattfand.
Von Beate mit einem Kartentisch (ähnlich unserem Campingtisch), Klappstuhl, Marschverpflegung und 2.5 l Wasser ausgestattet, machten sich Brigitta und ich auf den Weg. Im Park saß bereits eine
Frauengruppe gemütlich im Kreis unter riesigen schattenspendenden Platanen. Zum Glück zeigte das Thermometer an diesem Tag nur 38° C an. Unter den Bäumen war es auszuhalten. Ich war nicht der
einzige Gast. Chris aus Brighton, südlich von London, war ebenso zufällig in die Gruppe geraten wie ich. Mir fiel auf, daß hier in Australien ausschließlich am Flachkissen mit englischen oder
flandrischen Klöppeln vorwiegend Torchon-Spitzen geklöppelt werden. Lydia arbeitete an einem Motiv in russischer Bänderspitze. Da sie verantwortlich für das Archiv der Gilde ist, gab ich ihr unsere
Hefte. Besonderes Interesse fanden die Beiträge "Historisches". Die arme Brigitta wird sie wohl ins Englische übersetzen müssen. Pam zeigt mir, wie sie ihr Reiseklöppelkissen zu einer
Handtasche zusammenfaltet. Auf Shirley`s Klöppelkissen glitzert und funkelt es in der Sonne. Sie hat englische Klöppel aus polierten Aluminium und Messing, die ihr Mann herstellt. Gay`s Mann
drechselt auch. Sie hatte (nicht ganz zufällig) ein kleines Kästchen voller herrlicher Klöppel mit, von denen ich mir einige geleistet habe - faszinierende Klöppel aus verschiedenen australischen
Hölzern, z.T. verziert mit den Früchten der Bäume oder mit australischen Wildblumen bemalt. Nicht alle Frauen saßen am Klöppelkissen. Es wurde gehäkelt, gestickt, gestrickt und es entstand eine
Patchwork-Decke mit 101 Dalmatinern. Ich lernte die Schirmherrin der S.A. Guild, Pat Mitchell, kennen. Sie hat sich auf Limerick Spitze spezialisiert. Elena arbeitete an einem Deckchen Armenische
Spitze und hat ein Buch über diese Spitze herausgegeben - "Knotted Lace". |
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Während der ganzen Zeit gab es viel zu sehen und zu erzählen. Keiner ist mit seiner Arbeit so richtig
voran gekommen. Aber ich wurde mit einem geflügelten Wort der Australierinnen getröstet: "Wenn Du mehr
als sechs Nadeln gesteckt, oder Stiche gemacht hast, warst Du sehr fleißig." |
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Ich danke Brigitta und all den Frauen für diesen schönen Tag. Den geknüpften Faden werden wir nicht abreissen lassen. |
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